Hallo liebe Propheteans,

motiviert durch den Rollenspielentwickler-Stammtisch, dem ich dieses Wochenende beiwohnen konnte, geht es wieder frisch ans Werk mit der Entwicklung von Shattered Prophecy. Obwohl ich euch letzte Woche schrieb, dass die Außenkommunikation zurzeit zugunsten der Entwicklung hintenanstehen muss, empfinde ich es nur als fair, euch ein paar weiterführende Infos zum Spiel zu geben. In der Vergangenheit wurde ich immer wieder darum gebeten, doch etwas mehr über die Season 01 Engine, den unterstützten Spielstil und das Feeling von unserem System, zu erzählen.

Über das Setting habe ich bereits ein wenig auf der Homepage und hier in Foretold berichtet. Wie immer gibt es noch Hunderte Dinge, die es zu Worgund, My und Co. zu erzählen gäbe, doch wie ich eurem Feedback entnehmen konnte, stellt das System und vor allem die Spielweise ein größeres Mysterium dar. Deshalb nehme ich mich dem zuerst an.

Beginnen wir damit zu erläutern, welchen Spielstil Shattered Prophecy unterstützt. Was meine ich damit? Jedes Rollenspiel bietet neben einem Setting und Regeln meines Erachtens auch einen gewissen Spielstil an, der besonders gut durch dieses System unterstützt wird. Will ich Monster töten und Schätze einsammeln oder lieber den Verstand meines Charakters vor dem Einfluss schrecklicher extradimensionaler Monster schützen? Spiele ich in einer Gruppe gemeinsam gegen das Böse oder teilt man sich eher auf? Wieviel Einfluss kann ich als Spieler auf die Erzählung nehmen?

Ich spreche hier direkt drei Aspekte der Spielweise an: Inhalt, Charakterkonstellation und Player Empowerment. Der letzte Begriff stammt aus der „Rollenspieltheorie“ und kursiert schon seit geraumer Zeit in den Weiten des Internets. Er bezeichnet Mechanismen, die Spielern die Möglichkeit geben, die Erzählung neben dem Spielleiter mitgestalten zu können. Das können z. B. harmlose kleine Zusatzdetails sein, die der vom Spielleiter beschriebenen Szene hinzugefügt werden („Kachelboden? Gut! Ich gebe einen Erzählpunkt aus. Der Boden wurde gerade gewischt und ist noch glatt“). In der Regel ist dies an die Ausgabe von Punkten gebunden, die Spieler auf die eine oder andere Art und Weise erhalten können.

Die zweite Variante geht dabei noch etwas weiter: Sie kann Metaelemente wie „Okay! Ich hätte jetzt gern einen Storytwist!“ einführen. Dabei kann die inhaltliche Auslegung des gewünschten Twists entweder weiterhin dem Spielleiter obliegen oder sogar von den Spielern selbst definiert werden.

Alles in allem ist Player Empowerment sehr modern und beliebt. Tatsächlich nutzen wir in unserem System aber diese Mechanismen nicht – wir gehen andere Wege.

Im Grunde genommen ist Shattered Prophecy nämlich ein World-Building-Spiel. Was meine ich damit? In den meisten Systemen gibt es ein vorgeschriebenes Setting und die Spieler übernehmen Helden oder Figuren innerhalb des Settings. Dabei verändern sie dieses jedoch selten. Sicher, einige Vampire haben irgendwann mal die Camarilla abgeschafft, manche Helden Tiefwasser abgefackelt oder Coruscant in die Luft gejagt. Aber das ist die Ausnahme. In der Regel ist das Setting recht unveränderlich und Charaktere haben andere Sorgen, als sich um dessen Veränderung zu kümmern. Weshalb auch? Oftmals handelt es sich bei den Helden ja um typische Vertreter wie Werwölfe, Shadowrunner oder Abenteurer. Die Personen, die die Macht haben, die Welt tatsächlich zu verändern (wie z. B. Könige oder Generäle), sind meist NSC.

Und genau hier liegt der Unterschied. In Shattered Prophecy werden euch zwei, drei geeignete Einstiegspunkte in das Setting präsentiert und ihr erhaltet detaillierte Hintergründe zur dortigen jeweiligen Grundsituation. Aber alles, was ihr danach tut, ist nirgendwo niedergeschrieben. Wir motivieren die Spieler sogar explizit dazu, die Herrschaft über die verschiedenen Länder untereinander aufzuteilen. Ihr übernehmt die Rollen, die sonst NSC vorbehalten sind. In diesen Rollen besitzt ihr die Macht, die Welt vollständig nach euren Wünschen zu formen.

Ihr wollt My abbrennen? Den Stahlkaiser Worgunds stürzen? Ein Land annektieren? Ein Volk ausrotten? All das ist durchaus möglich und wird vom Spiel gefördert. Euer einziges Hindernis dabei sind die anderen Spieler. Wie oben erwähnt, wird der Stahlkaiser wahrscheinlich von einem Mitspieler gespielt und dieser hat natürlich eigene Pläne.

Natürlich können nicht nur politische Charaktere die Welt verändern. Gerade in Shattered Prophecy gibt es genügend Kräfte und Mächte, die mit Leichtigkeit ähnliche Effekte erzeugen können. Jeder eurer Charaktere, egal ob Bauer, Soldat oder Herrscher, kann und wird Steine ins Rollen bringen – wenn auch auf einer anderen Größenskala.

Der Grundgedanke ist aber: Ihr als Gruppe formt gemeinsam das Setting, das durch eure Handlungen stetem Wandel unterzogen ist.

Man merkt diesen Wandel auch sehr schnell, denn schließlich übernehmen Spieler meist deutlich mehr als einen Charakter, die an verschiedenen Orten der Welt auf verschiedenen Seiten von Kriegen und mit unterschiedlichen Allianzen und Interessen agieren.

Die Kriegserklärung der mytischen Herrscherin (Spielerin A) an Worgund wird demnach sehr schnell beim worgundischen Bauerncharakter (Spieler B) ankommen, wenn dieser plötzlich für den Krieg eingezogen wird.

Dieses Beispiel ist deshalb so geeignet, weil es zeigt, dass in Shattered Prophecy nicht zwischen Charakter-, Welt- oder Storyfokus unterschieden werden kann. Ihr als Spieler kreiert die Geschichte mit euren Handlungen, diese werden natürlich wieder von der Entwicklung eurer Charaktere bestimmt und durch die Tragweite der Entscheidungen wird die Welt durch euer Spiel völlig neu geformt.

Auf diese Weise wird Agryppa zu eurer Welt und ihr fühlt euch nach kurzer Zeit bereits heimisch. Immerhin erbaut ihr aus den Grundmaterialen eure eigene Version der Zukunft. Allerdings nicht mit Metapunkten, sondern über die Handlungen eurer Charaktere im Spiel.

Als Spielleiter hast du lediglich die Aufgabe, die Verbindungen zu sehen. Wenn Spielerin A Krieg ausruft, muss das Auswirkungen auf Spieler B haben, der dann z. B. eingezogen wird. Damit es nicht zum typischen Sandbox-Leerlauf kommt („Okay – was soll ich nun tun?“) wirft der Spielleiter äußere Ereignisse, die Druck erzeugen, in die brodelnde Suppe. Dabei kann er optimalerweise auch Verbindungen zwischen Charakteren ziehen, die vorher nicht existierten, um neues, aufregendes Spiel zu generieren.

Shattered Prophecy ist demnach nur bedingt ein kooperatives Spiel. Es wurde ja bereits öfter erwähnt, dass PvP, auch abseits von direktem Kampf, eine große Rolle bei uns spielt.
Generell bietet es aber die ultimative Form des Player Empowerments. Eure Charaktere sind die Story, die Welt, das Spiel. Alles dreht sich um ihre Entscheidungen, Handlungen und die entsprechenden Konsequenzen.

Spieler, die nach einem Spiel suchen, bei dem sie kooperativ gemeinsam das Böse besiegen, Monster töten und einfach nur relaxen können, werden mit Shattered Prophecy kaum glücklich werden. Sicherlich kann man jedes Spiel so spielen, aber hier bieten sich euch weit weniger geeignete Mechaniken für diesen Spielstil als bei anderen bekannten Systemen. Stattdessen unterstützt unser Spiel vor allem die vorgestellte Spielweise. Wir helfen Spielleitern, den Überblick zu behalten, geben euch Szenariohilfen und Regeln, die speziell auf dieses kooperative / kompetitive Spiel ausgelegt sind.

Solltet ihr also nach einem Spiel suchen, bei dem ihr die Welt nach euren Wünschen (und Mitteln) formt und dies auch durch direktes Feedback der Welt merkt, gemeinsam eine düstere und oftmals halsbrecherische Story mit vielen Perspektiven und Wendungen erschafft und mit einem gewetzten Messer unter dem Tisch euren Mitspielern die Hand in Freundschaft reicht, ist Shattered Prophecy genau das Richtige für euch.

Über den Autor

Maurizio ist Podcaster, Hobbyfotograf und leidenschaftlicher Spielleiter. Er arbeitet als Leaddesigner an Shattered Prophecy und ist für die Entwicklung des Spiels verantwortlich. In Köln geboren und aufgewachsen studierte er dort Wirtschaftspsychologie, Germanistik, Philosophie und Game Design sowie Marketing- und Medienmanagement in Düsseldorf. Seine Vorliebe für düstere Settings, Arthaus-Filme und die New Weird-Bewegung haben ihn maßgeblich in seinen Werken inspiriert.

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